8. Februar 2025

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Regional essen, neu entdecken – F.A.Z.-Kritiker Jürgen Dollase über rheinische Tapas und kulinarische Identität

„Die Regionalküche gehört zu den identitätsstiftenden Merkmalen des kulturellen Lebens.“ – Mit diesen Worten bringt Jürgen Dollase, einer der renommiertesten Restaurantkritiker Deutschlands, das Thema auf den Punkt. Auf Einladung der Otto-von-Bylandt-Gesellschaft plauderte Dollase auf Schloss Rheydt über die rheinische Küche und zeigt dabei auf, warum regionale Spezialitäten mehr sind als nur nostalgische Erinnerungen – sie sind ein Schatz, der neu entdeckt werden muss.

Der Niederrhein und seine Küche – ein unterschätztes Erbe

Dollase beschreibt den Niederrhein als eine Region mit kulinarischem Potenzial, das leider oft übersehen wird. Während in Bayern oder Schwaben traditionelle Gerichte fest in der Alltagskultur verankert sind, scheint die rheinische Küche vielerorts in Vergessenheit zu geraten. „Wir haben alles gehabt, aber es ist uns verloren gegangen,“ sagt Dollase und fordert dazu auf, dieses Erbe wiederzubeleben.

Von Himmel un Ääd bis zur modernen Interpretation

Ein klassisches Beispiel ist das berühmte „Himmel un Ääd“ – eine Kombination aus Kartoffelpüree, Äpfeln und Blutwurst. Dollase schlägt eine moderne Neuinterpretation vor: „Die Blutwurst kann man in Stückchen anbraten und mit knackigen Apfelstreifen sowie Ingwer kombinieren – das schafft neue sensorische Erlebnisse.“ Sein Ansatz: traditionelle Gerichte bewahren, aber durch kreative Ideen für die heutige Generation neu gestalten.

Jürgen Dollase zeigte sowohl gute als auch weniger gute Beispiele aus der Welt der Restaurantküchen. Foto: Lott jonn!

Rheinische Tapas – kleine Gerichte, großer Geschmack

Um die junge Generation für regionale Gerichte zu begeistern, schlägt Dollase das Konzept der „rheinischen Tapas“ vor – kleine Portionen klassischer Spezialitäten, die spielerisch und modern präsentiert werden. „Tapas sind perfekt, um die Vielfalt einer Küche auf unkomplizierte Weise erlebbar zu machen,“ erklärt er. Seine Vorschläge reichen von einer Mini-Rinderroulade mit Tatar bis zu einem Carpaccio vom rheinischen Sauerbraten.

Diese kleinen Gerichte bieten nicht nur geschmackliche Überraschungen, sondern haben laut Dollase auch einen wichtigen sozialen Aspekt: „Tapas bringen die Generationen an einen Tisch – sie bieten Gesprächsstoff und laden zum Probieren ein.“

Regionalküche als Zukunftschance

Doch warum hat die Regionalküche in Deutschland oft einen schweren Stand? Dollase sieht das Problem in einer mangelnden Förderung und Wertschätzung. „Es gibt kaum öffentliche Mittel für unsere kulinarische Kultur, dabei ist sie ein entscheidender Teil unserer Identität,“ bemerkt er. Seine Lösung: mehr Bewusstsein schaffen, neue Präsentationsformen entwickeln und junge Köche ermutigen, sich mit ihrer regionalen Herkunft auseinanderzusetzen.

So verläuft die Geschmacksintensitätskurve. Foto: Lott jonn!

Fazit: Die rheinische Küche lebt – wenn wir sie leben lassen

Dollase ist überzeugt, dass die rheinische Küche eine Renaissance erleben kann, wenn sie an die heutigen Essgewohnheiten angepasst wird, ohne ihren Charakter zu verlieren. „Regionale Küche muss spannend, authentisch und qualitativ hochwertig sein – dann hat sie eine echte Zukunft,“ so sein Fazit.

Ob in Form von rheinischen Tapas oder modern interpretierten Klassikern – Dollases Ideen zeigen: Die kulinarische Identität des Niederrheins ist lebendig. Man muss sie nur neu entdecken und genießen.